Quellenkunden

Notwendige Voraussetzung der Geschichtsschreibung ist eine umfassende Kenntnis der Quellen. Das Aufsuchen aller relevanten Quellen zu einem gegebenen Thema ist der erste Schritt bei der Erstellung einer geschichtswissenschaftlichen Untersuchung.

Das Auffinden und die Bewertung der jeweiligen Quellen wird durch Quellenkunden erleichtert. Darin finden sich die relevanten Quellen zu einem Thema oder zu einem geographischen Gebiet umfassend aufgelistet. Zusätzlich wird üblicherweise angegeben, wie relevant die einzelnen Quellen sind. Am besten schaut man sich einmal selbst ein paar Quellenkunden an. Sie geben immer wichtige Anregungen für die weitere Arbeit mit den Quellen.

Die wichtigsten Quellenkunden zur deutschen und europäischen Geschichte sind im folgenden zusammengestellt.

van Caenegem/Ganshof: Kurze Quellenkunde
van Caenegem/Ganshof: Kurze Quellenkunde

1. Eine übergreifende Quellenkunde

Die beste, knappe Quellenkunde, die einen Überblick über alle Quellenarten gibt, stammt von den belgischen Professoren R.C. van Caenegem und F.L. Ganshof, die beide an der Universität Gent gelehrt haben. Außer den Quellen werden darin die Bibliotheken und Archive, in denen die Quellen verwahrt werden, die Quellensammlungen, in denen die Quellen ediert sind, sowie Hilfsmittel zum Verstehen der mittelalterlichen Texte und Literatur zu den dazu notwendigen Hilfswissenschaften behandelt.

van Caenegem, R.C. unter Mitarbeit von Ganshof, F.L.: Kurze Quellenkunde des Westeuropäischen Mittelalters. Eine typologische, historische und bibliographische Einführung, Göttingen 1964.

2. Erzählende Quellen

Das weitaus umfassendste Projekt zur Erschließung der Quellen zur mittelalterlichen Geschichte wurde am Istituto Storico Italiano per il Medioevo betrieben. Die dort vorbereitete Neuausgabe des klassischen „Wegweiser durch die Geschichtswerke des europäischen Mittelalters bis 1500“ von August Potthast, der 1896 in zwei Bänden erschienen ist, wurde in internationaler Gemeinschaftsarbeit erstellt.

Repertorium fontium historiae medii aevi primum ab Augusto Potthast digestum, nunc cura collegii historicorum e pluribus nationibus emendatum et auctum.
Band 1: Series collectionum, Rom 1962.
Band 2: Fontes A–B, Rom 1967.
Band 3: Fontes C, Rom 1970.
Band 4: Fontes D–E–F–Gez, Rom 1976.
Band 5: Fontes Gh–H, Rom 1984.
Band 6: Fontes I–J–K, Rom 1990.
Band 7: Fontes L–M, Rom 1997.
Band 8: Fontes N–Petruccius, Rom 2001.
Band 9: Fontes Petrus–Reynerus, Rom 2003.
Band 10: Fontes Rh–Sz, Rom 2005.
Band 11: Fontes T–Z, Rom 2007.

3. Historiographische Quellen

Die Quellenkunden zu den historiographischen Quellen sind meist bereits mehrere Jahrzehnte alt. Dies ist wichtig zu beachten, da man die historiographischen Quellen heute anders beurteilt als vor einem halben Jahrhundert. Nunmehr mißt man die Geschichtsschreiber des Mittelalters nicht mehr an einem modernen Maßstab und rügt deren mangelnde Ausrichtung auf Faktizität, sondern versucht vielmehr, den mittelalterlichen Autoren gerecht zu werden, indem man nach deren Interessen und Darstellungsabsichten fragt.

Wattenbach/Levison: Deutschlands Geschichtsquellen
Wattenbach/Levison: Deutschlands Geschichtsquellen

3.1. Völkerwanderungszeit, Merowingerzeit und Karolingerzeit

Levison, Wilhelm (Bearb.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, Heft 1: Die Vorzeit von den Anfängen bis zur Herrschaft der Karolinger, Weimar 1952, S. 1-156.

Levison, Wilhelm (†) und Löwe, Heinz (Bearb.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, Heft 2: Die Karolinger vom Anfang des 8. Jahrhunderts bis zum Tode Karls des Großen, Weimar 1953, S. 157-289.

Löwe, Heinz (Bearb.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, Heft 3: Die Karolinger vom Tode Karls des Großen bis zum Vertrag von Verdun, Weimar 1957, S. 290-382.

Löwe, Heinz (Bearb.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, Heft 4: Die Karolinger vom Vertrag von Verdun bis zum Herrschaftsantritt der Herrscher aus dem sächsischen Hause. Italien und Papsttum, Weimar 1963, S. 383-490.

Löwe, Heinz (Bearb.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, Heft 5: Die Karolinger vom Vertrag von Verdun bis zum Herrschaftsantritt der Herrscher aus dem sächsischen Hause. Das westfränkische Reich, Weimar 1973, S. 491-645.

Löwe, Heinz (Bearb.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, Heft 6: Die Karolinger vom Vertrag von Verdun bis zum Herrschaftsantritt der Herrscher aus dem sächsischen Hause. Das ostfränkische Reich, Weimar 1990, S. 652-941.

Buchner, Rudolf (Bearb.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, Beiheft: Die Rechtsquellen, Weimar 1953. 87 S.

Wattenbach/Holtzmann: Deutschlands Geschichtsquellen
Wattenbach/Holtzmann: Deutschlands Geschichtsquellen

3.2. Die Zeit der Könige und Kaiser aus sächsischem und salischem Haus

Holtzmann, Robert (Hrsg.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Deutsche Kaiserzeit, Abschnitt 1: Das Zeitalter des Ottonischen Staates (900–1050), 2 Hefte, Tübingen 1948, S. 1-357.

Holtzmann, Robert (Hrsg.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Deutsche Kaiserzeit, Abschnitt 2: Das Zeitalter des Investitur-Streites (1050–1125), 2 Hefte, Tübingen 1948, S. 358-856.

Schmale, Franz-Josef (Hrsg.): Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Die Zeit der Sachsen und Salier, Teil 3: Italien (1050–1125), England (900–1135), Nachträge zum ersten und zweiten Teil, Darmstadt 1971, S. 839-1010, 283* S.

Die beiden ersten Teile sind 1978 von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt unverändert nachgedruckt worden, während der dritte Teil Ergänzungen bringt, die teilweise noch auf Walther Holtzmanns Arbeiten beruhen, großenteils aber neu verfaßt sind.

3.3. Stauferzeit und Interregnum

Schmale, Franz-Josef unter Mitarbeit von Schmale-Ott, Irene und Berg, Dieter: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vom Tode Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnum, Band 1 [mehr nicht erschienen], Darmstadt 1976. 474 S.

Dotzauer: Quellenkunde
Dotzauer: Quellenkunde

3.4. Spätmittelalter

Dotzauer, Winfried (Hrsg.): Quellenkunde zur deutschen Geschichte im Spätmittelalter (1350–1500), Darmstadt 1996. 589 S.

Der Band setzt bei der Behandlung der deutschen Könige bereits mit dem Interregnum ein und bietet damit einen direkten Anschluß an die zuvor genannte Quellenkunde.

4. Urkunden

Zu den überaus zahlreichen Urkunden, die aus dem Mittelalter überliefert sind, existiert aus verständlichen Gründen keine Quellenkunde. Eine Verzeichnung der mittelalterlichen Urkunden mit kurzen Inhaltsangaben (Regesten) streben die Regesta Imperii an.

5. Neuzeit

Baumgart, Winfried (Hrsg.): Quellenkunde zur deutschen Geschichte der Neuzeit von 1500 bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Darmstadt 2005 [CD-ROM].

Kennen sollte man ferner auch die Quellenkunde zur deutschen Geschichte der Neuzeit, die Winfried Baumgart herausgegeben hat. In ihr findet sich nicht zuletzt für das Spätmittelalter noch mancher wichtige Hinweis. Darüber hinaus sind die darin enthaltenen Einträge auch hilfreich, wenn man sich mit der Geschichte der Erforschung des Mittelalters beschäftigt. Die zweite Auflage der ursprünglich in sieben Bänden erschienenen Quellenkunde wurde ausschließlich als CD-ROM veröffentlicht und umfaßt in dieser Form beachtliche 4.698 Bildschirmseiten. Insbesondere durch die Suchmöglichkeiten, die sich mit der Veröffentlichung auf CD-ROM ergeben, läßt sich diese Quellenkunde sehr einfach benutzen.