Reiner Cunz (dir.): Währungsunionen. Beiträge zur Geschichte überregionaler Münz- und Geldpolitik

Reiner Cunz (dir.): Währungsunionen. Beiträge zur Geschichte überregionaler Münz- und Geldpolitik (Numismatische Studien, Heft 15) […], dans: Geldgeschichtliche Nachrichten 38 (2003) 211, pp. 51sq.

Critique

Aus der größeren Anzahl von Veröffentlichungen, die sich mit dem Übergang von der D‑Mark zum Euro beschäftigen, ragt der vorliegende 15. Band der traditionsreichen Reihe „Numismatische Studien“ aus Hamburg dadurch hervor, daß in ihm in zehn Beiträgen jeweils die Geschichte der Währungsunionen einer Epoche oder einzelner Gemeinschaftswährungen auf hohem wissenschaftlichem Niveau behandelt sind. Die meisten Beiträge gehen auf Vorträge zurück, die 1999 und 2000 im Rahmen einer vom Niedersächsischen Münzkabinett der Deutschen Bank und dem Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover veranstalteten Vortragsserie „Währungsunionen gestern und heute“ gehalten wurden. Einleitend hat Reiner Cunz neben einer einführenden Zusammenfassung der Beiträge („Zweieinhalb Jahrtausende Währungsunionen. Historische Beiträge zur Europäischen Währungsunion“, S. 9-34) eine überzeugende Definition und gegenseitige Abgrenzung der Begriffe „Leitwährung“, „Währungsunion“ und „Einheitswährung“ vorgenommen. Der Leitwährung ordnet er als numismatisches Phänomen Nachahmungen bzw. Beischläge zu, der Währungsunion Gemeinschaftsmünzen. Die Einheitswährung schließlich zeichnet sich laut Cunz dadurch aus, daß in „einem einzigen größeren Staatsgebilde“ eine zentrale Macht die Währung steuert und – in numismatischer Hinsicht – für das gesamte Herrschaftsgebiet einheitliche Gepräge produziert. Beginnend mit den ersten Gemeinschaftsmünzen der griechischen Bundesstaaten aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. und endend mit der nahezu vollständigen Umstellung auf Euro und Cent im europäischen Zahlungsverkehr Ende Februar 2002, befassen sich die anschließenden Beiträge mit der gut zweieinhalb Jahrtausende umfassenden Geschichte der Leitwährungen, Währungsunionen und Einheitswährungen.

Christof Boehringer („Münzprägungen griechischer Bundesstaaten und das Beispiel der Achaischen Konföderation“, S. 35-57) stellt nach einem Überblick über die unterschiedlichen Typen von antiken griechischen Bündnissen (Kampfgemeinschaften, Zusammenschlüssen von Stadtstaaten, Verleihung gleichen Bürgerrechts an Bürger anderer Stadtstaaten ohne die Gewährung politischer Rechte, Bundesstaaten) die Prägungen der Bundesstaaten in Boiotien, Arkadien, Aitolien, der Phoker und auf der Chalkidike vor. Die Münzen selbst stellen hier aufgrund weitgehenden Fehlens schriftlicher Quellen die einzigen Zeugnisse von den Gemeinschaftswährungen dar. Wegen Ähnlichkeiten zu der Europäischen Union und der besseren historischen Überlieferung geht Boehringer anschließend ausführlicher auf die Achaische Konföderation und deren Verfassung ein, die vom „Dualismus zwischen Bund und Einzelstadt“ geprägt war. Im Bereich der gesamten Konföderation, die auf dem Höhepunkt ihrer Macht um 180 v. Chr. die gesamte Peloponnes mit mehr als 60 Städten umfaßte, galt nicht nur das gleiche Recht, sondern auch dasselbe Maß- und Münzsystem.

Im Gegensatz zu diesen Währungsunionen verfolgt Bernhard Overbeck („Die Währung Roms, erstes gemeinsames Zahlungsmittel Europas“, S. 59-86) die Entwicklung des römischen Geldes, das im Zuge der Ausbreitung des Reiches über ganz Europa hinweg als Einheitswährung innerhalb der Reichsgrenzen etabliert werden konnte. Als Beispiele für die Dynamik, die von diesem einheitlichen Währungsraum ausging, lassen sich die von Overbeck genannte Übernahme des römischen Januskopfes in der süddeutschen Goldprägung schon gegen Ende des 3. vorchristlichen Jahrhunderts sowie die um 200 n. Chr. erfolgte Nachprägung römische Aurei im mittelasiatischen Kuschanreich ansehen. In der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. blieb die Währung reichsweit einheitlich, obwohl das Reich zerbrach und sich in Gallien und Kleinasien Sonderreiche bildeten. Dadurch erwies sich die einmal geschaffene Einheitswährung als stabiler als die politischen Verhältnisse. Die Verschlechterung des Silbergeldes machte allerdings Reformen notwendig, die im Verlauf der Reichsreform Diocletians vollendet wurden. Overbecks Beitrag schließt mit der Einführung des Solidus im Jahr 309 und der Nutzung von Goldbarren im Geldverkehr Ende des 4. Jahrhunderts. Klaus Petry („Vom Reich zur Region – von der Einheit zur Vielfalt: die Entwicklung der Währungslandschaft Mitteleuropas im Früh‑ und Hochmittelalter“, S. 87‑104) setzt an diesem Entwicklungspunkt fort und konstatiert, daß nach dem Untergang des weströmischen Reiches die „europäische Kursgültigkeit der Münzen“ unbeeinträchtigt blieb. Allerdings bevorzugte die Völkerwanderungszeit das Gold als Münzmetall, dessen Ausmünzung und Verbreitung Petry anhand der Funde von Domburg vorführt. Ab 680 kamen mit den merowingischen Denaren wieder Silberprägungen auf, deren Vielfalt durch die Münzreformen Pippins und Karls des Großen gebändigt wurde, so daß Ende des 8. Jahrhunderts erneut eine gesetzlich festgesetzte reichsweite Kursgültigkeit festzustellen ist. Diese wurde unter Ludwig dem Frommen auch bildlich durch die anonymen XPISTIANA RELIGIO-Prägungen erkennbar. Anhand dreier um 850 niedergelegter Funde kann Petry jedoch bereits wieder regionale Einflüsse, in diesem Fall die Spuren friesischer Händler, deutlich machen. Etwa gleichzeitig wird ebenfalls die Aufteilung des Frankenreichs numismatisch bemerkbar, die Petry als „Tendenz zur ,Nationalisierung’ des Geldumlaufs“ bezeichnet.

Karl Weisenstein und Gerald Stefke richten die Aufmerksamkeit des Lesers auf zwei spätmittelalterliche Münzvereine. Weisenstein („Die Münzpolitik der rheinischen Kurfürsten (Rheinischer Münzverein) unter besonderer Berücksichtigung der Einflüsse von Reich und Städten“, S. 105‑143) geht dabei vor allem auf der Grundlage von teils bisher unveröffentlichten archivalischen Quellen der Entwicklung des Rheinischen Münzvereins nach. Die Politik dieses Münzvereins zeichnete sich, wie Weisenstein gleich eingangs betont, besonders dadurch aus, daß der Edelmetallgehalt der Goldgulden im Verlauf von 174 Jahren um 26,5 % (also jährlich nur 0,15 %) verringert wurde. Als neutrale Überwacher der Guthaltigkeit der Prägungen wurden mehrfach größere Städte (Aachen, Frankfurt, Köln) mit in die Verträge einbezogen. Dies zeugt von der Bedeutung, die die städtischen Märkte für die rheinischen Kurfürsten hatten. Ebenso interessant ist ein weiterer Abschnitt in Weisensteins Beitrag, nämlich die erstmalige genaue Dokumentation der kurfürstlichen Sabotage gegen die seit 1418 geprägten Apfelgulden des Reiches. Von diesen behaupteten die Kurfürsten, sie seien geringhaltig und ließen sie gar insgeheim verbieten, ohne öffentliche Bekanntmachung und Glockengeläut. Stefke („Der „Wendische Münzverein“ als spätmittelalterliche Währungsunion and andere norddeutsche Münzkonventionen des 13./14. bis 16. Jahrhunderts“, S. 145‑195) stellt die Entwicklung des hauptsächlich von den vier Städten Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg getragenen Wendischen Münzvereins vor. Grundlegend für dessen Funktionieren war der in den Verträgen immer wiederkehrende weitgehende „Verzicht der vertragschließenden Städte auf die individuelle Ausübung ihrer Währungshoheit“. Neben der Beantwortung vieler anderer wichtiger Fragen, wie etwa nach den Versuchen der weiteren Ausdehnung des Münzvereins und der optischen Kennzeichnung der Gemeinschaftsmünzen, erliegt Stefke allerdings der Versuchung, Preisen aus der Zeit um 1350 bzw. 1500 Entsprechungen in DM und Euro zuzuteilen. Dies ist zumindest mißverständlich und wird daher inzwischen allgemein abgelehnt.[1]

H. Thomas Christmann („Die Reichsmünzordnungen und deren Umsetzung durch die Reichskreise“, S. 197‑219) behandelt die drei grundlegenden Reichsmünzordnungen des 16. Jahrhunderts (1524 Esslingen, 1551 und 1559 Augsburg) als Teil der im Spätmittelalter einsetzenden Reichsreform. Im Zeitalter der ersten Talerprägungen war das größte Problem, reichsweit gültige Verordnungen für die Ausbringung von Gold- und Silbermünzen durchzusetzen. Christmann hebt besonders die dabei entstehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Reichsständen mit eigenen Silbervorkommen bzw. mit traditioneller Goldprägung hervor. Den Reichskreisen oblag die Aufgabe, die Reichsmünzordnungen nicht selten gegen den Willen der Kreisstände durchzusetzen. Dieses Ansinnen scheiterte gleichwohl häufig an der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit der Kreise, was Christmann als „mangelnde Vollstreckung“ bezeichnet.

Nach dem Mißglücken des Reiches mit der Einführung eines einheitlichen Geldwesens wurde 1667 die Währungsunion von Zinna zwischen Brandenburg und Sachsen zum Ursprung einer norddeutschen Gemeinschaftswährung, der sich auch Braunschweig-Lüneburg anschloß. Deren Geschichte wendet sich Paul Arnold zu („Die Währungsunionen von Zinna (1667‑1690) und Leipzig (1690‑1750/1763) unter besonderer Berücksichtigung des kursächsischen Münzwesens“, S. 221‑248). Er hebt hervor, daß die Prägungen nach dem Zinnaer Fuß geringhaltiger waren als die Reichsprägungen, wodurch zwei Talerbegriffe entstanden und die Prägungen mittels kleiner Reichsäpfel bzw. Wertangabe in ovaler Einfassung voneinander bildlich unterscheidbar gemacht werden mußten. Dem Leipziger Fuß mit noch geringhaltigeren Prägungen gelang 1737 und 1738 schließlich, was dem Zinnaer Fuß versagt geblieben war: Er wurde zum Reichsfuß deklariert, konnte jedoch durch den Ausbruch des Österreichischen Erbfolgekrieges nicht mehr offiziell eingeführt werden. Vielmehr zerfiel das Reich wieder in verschiedene Münzfüße. Dennoch sieht Arnold in den drei Ländern die Vorreiter auf dem Kurs zur späteren deutschen Währungseinheit. Den weiten Weg, der bis dahin noch zu gehen war, schildert Hans-Jürgen Gerhard („Vom Leipziger Fuß zur Reichsgoldwährung. Der lange Weg der „deutschen Währungsunion“ von 1871/76“, S. 249‑290), der sich ebenfalls ausführlich mit dem Leipziger Fuß auseinandersetzt und in einem Exkurs ausführlich darlegt, daß dieser Fuß nicht zum Reichsfuß erhoben wurde. Als bedeutende Schritte zur Einheitswährung schildert Gerhard die Einführung des Graumannschen Fußes in Preußen 1750, der aufgrund der bedeutenden wirtschaftlichen Rolle des Landes bald weit verbreitet war, und den Übergang zum Dezimalsystem nach französischen Vorbild. Weitere Meilensteine waren der Dresdener Münzvertrag von 1838, in dem sich die Staaten des Zollvereins zu einer Währungsunion zusammenschlossen, und die Wiener Konvention 1857, die eine Währungsunion zwischen 28 Staaten schloß, darunter Preußen und Österreich. Das sich stetig vergrößernde Gebiet der Gemeinschaftswährung hat Gerhard auf mehreren Karten anschaulich gemacht. Nach der Gründung des Kaiserreichs war dann in der Verfassung festgelegt, daß das Münzsystem ebenso wie das Papiergeld der Aufsicht des Reichstages unterstehen sollte. Damit war im deutschen Raum nach vielen regional begrenzten Währungsunionen wieder eine Einheitswährung entstanden, die Gerhard mit vollem Recht nicht nur als Gemeinschaftswährung bezeichnet wissen will.

Die letzten beiden Beiträge von Niklot Klüßendorf und Friedrich Geigant gelten der zeitgeschichtlichen Entwicklung. Klüßendorf („Zwischen Reform und Union. Das deutsche Geldwesen 1945 bis 1990 im Spiegel der Zeitgeschichte“, S. 291‑335) behandelt die Geschichte der Währungen in Deutschland von der Aufspaltung des einheitlichen Währungsgebietes nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu der deutschen Einheit. Er weist dabei besonders auf die Schwierigkeiten und Absurditäten hin, die durch die Existenz von zwei deutschen Währungen in zwei völlig verschiedenen Wirtschaftssystemen entstanden, was vor allem die Konvertibilität zwischen den beiden Währungen und 1990 den Umstellungskurs für die Mark der DDR betrifft. Anhand zahlreicher Karikaturen nähert sich Klüßendorf dem Problem der Währungsunionen aber auch aus einer anderen Perspektive als die übrigen Beiträge in dem vorliegenden Band, indem er deutlich macht, wie die Menschen die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion empfunden haben. Somit geht es Klüßendorf hier um die „Sozial-Erfahrungen mit dem Medium ,Geld’“, eine Problematik, die in wirtschaftswissenschaftlichen Modellen häufig nicht hinreichend beachtet wird. Dem stellt Geigant („Stationen und Strukturen: Europas Weg zum Euro“, S. 337‑410) aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht die Geschichte der Bildung der europäischen Einheitswährung gegenüber. Dies geschieht unter Verzicht auf mathematische Modelle, so daß der Beitrag durchaus allgemeinverständlich ist. Geigant arbeitet vor allem heraus, daß nach verschiedenen Rückschlägen bei der Bildung einer Einheitswährung das Jahr 1978 eine entscheidende Wende brachte. Damals wandte man sich in Deutschland von der Vorstellung ab, daß die Währungseinheit das Ergebnis der politischen Integration Europas sein müsse, und folgte stattdessen dem französischen Modell, das die politische Vereinigung über eine vorherige Wirtschaftsunion anstrebte. Gegen den Widerstand der Bundesbank hielt man an dieser Ansicht auch in den späten 1980er Jahren fest, was Geigant damit kommentiert, daß „Diplomaten… von Berufs wegen darauf eingestellt [sind] zu erwarten, daß sich Sachgesetzlichkeiten durch Überzeugungskraft und Debattierkunst überspielen lassen.“ In dieser skeptischen Sichtweise folgt Geigant dem Weg des Euros bis zu seiner Einführung Anfang 2002 und hebt verschiedene Defizite in der europäischen Koordinierung der Finanz-, Einkommens- und Integrationspolitik hervor. Die Gefährdungen sind sicher ernst zu nehmen, aber die Geschichte des Euros ist zumindest bisher erfolgreicher verlaufen, als man nach der Lektüre dieses Beitrags hätte vermuten können.

Ein wenig bedauerlich ist, daß dem Band zusätzlich zu der ausführlichen Einleitung von Reiner Cunz keine übergreifende Zusammenfassung beigegeben ist, die einzelne Aspekte noch einmal übergreifend aufnimmt. Dies nachzuholen soll im Rahmen der vorliegenden Rezension nicht versucht werden; zumindest zwei Aspekte scheinen aber erwähnenswert zu sein. 1. Die politische Intention bei der Schaffung einer Währungsunion. Hier waren sich die Herrscher über die Jahrhunderte hinweg einig, daß man „umb des gemeynen lands noit und beste“ (in diesem Fall die rheinischen Kurfürsten 1385; Beitrag Weisenstein, S. 133 Anm. 30) handelte. 2. Die Bedeutung der Städte für die Währungsunionen. Waren schon in der griechischen Antike die Städte Träger der Bundesstaaten, so hatten auch im Mittelalter etwa Frankfurt am Main und in der Neuzeit Leipzig, wo die sächsischen Fürsten von den Kaufleuten ihre Geldpolitik begutachten ließen (vgl. Beitrag Arnold), Mitspracherecht bei den Entscheidungen über das Geld, das in den Städten umlaufen sollte. Und man sollte nicht vergessen, daß sich dieses Recht gegenüber der Politik vor allem in Frankfurt am Main über die Jahrhunderte erhalten hat und nun hauptsächlich von der Europäischen Zentralbank wahrgenommen wird.

Der vorliegende Sammelband, der mit zahlreichen Abbildungen und Karten sowie Fadenheftung auch äußerlich sehr ansprechend ist, und inhaltlich einen thematisch auf das Phänomen der Währungsunionen konzentrierten Abriß der Geldgeschichte von ihren Anfängen bis zur Gegenwart gibt, ist in jedem Fall zum Kauf zu empfehlen. Der hohe Preis ist allerdings bei einem Buch bedauerlich, das ganz sicher auf reges allgemeines Interesse stoßen wird.

Hendrik Mäkeler

  1. Ausführlicher dazu u.a. in einer auch von Stefke angeführten Habilitationsschrift Ulf Dirlmeier: Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters, Heidelberg 1978, S. 28f. []